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Sarkomere und Sarkoplasmatische Hypertrophie: Kraft vs. Muskelmasse

Wenn Du regelmäßig ein Studio besuchst, hast Du sicher schon jemanden gesehen, der sehr hohe Gewichte bewegt, obwohl er gar nicht so stark aussieht. Hast Du Dich auch schon mal gefragt, warum ist das so?
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ie bestimmt die sarkomere und sarkoplasmatische Hypertrophie Dein Muskelwachstum und was ist Hypertrophie eigentlich?

In diesem Artkiel werde ich dieser Frage einmal genauer auf den Grund gehen.

Jeder Mensch ist unterschiedlich gebaut

Wenn Du Dir die Menschen in Deiner Umgebung anschaust, ist Dir sicherlich schon aufgefallen, dass nicht jeder über den gleichen Körperbau verfügt. Genauso wie manche Menschen eine sehr schmale oder sehr breite Knochenstruktur haben, kann es am ganzen Körper solche Verhältnisunterschiede geben.

Langer Oberarm und kurzer Unterarm, lange Beine kurzer Oberkörper, lange Arme kurze Beine und noch viele mehr. All diese Verhältnisse haben erhebliche Auswirkungen auf die Kraftleistungen in manchen Übungen.

Die Arbeit, welche der Muskel bzw. die Muskelkette verrichtet, ist von folgenden Faktoren abhängig: Zeit, Weg, Last und Hebel.

Ich möchte Dir hier ein paar Beispiele geben, um zu verdeutlichen was ich meine.

1. Faktor: Zeit 

Wie lange muss ein Muskel arbeiten? Der Faktor Zeit ist relativ einfach zu erklären.

Wenn Du eine Wasserflasche eine Minute vor Dir hältst, ist dies natürlich anstrengender als bei ein paar Sekunden und wenn Du eine Kraftübung sehr langsam ausführst, wirst Du weniger Wiederholungen schaffen, als bei schneller Ausführung, obwohl die bewegte Last die gleiche war.

2. Faktor: Weg

Hier kommt zum ersten mal der Körperbau ins Spiel. Als Beispiel schauen wir uns das Kreuzheben an: Ein Athlet mit eher kurzen Beinen und relativ langen Armen, hat einen wesentlich kürzeren Weg vor sich, um ein Gewicht von A nach B zu bewegen.

Die Gesamtarbeit der beteiligten Muskulatur ist so natürlich geringer, da das Gewicht nicht so weit bewegt werden muss. Derselbe Athlet hat dafür jedoch beim Bankdrücken einen gravierenden Nachteil: Durch seine langen Arme, wird der Weg von der Brust in die Streckung bedeutend länger, als er bei Athleten mit kürzeren Armen wäre.

3. Faktor: Last und Hebel

Mit dem Begriff Last ist natürlich das bewegte Gewicht gemeint. Aber Vorsicht: Die bewegte Last sagt noch lange nichts über die erbrachte Muskelkraft aus!

Je größer der Abstand zwischen der bewegten Last und dem Hebel ist, umso höher muss die angewandte Muskelkraft sein. Eine Wasserflasche, mit angewinkeltem Arm, eine Minute vor sich zu halten, ist noch relativ einfach. Wenn Du jedoch ihren Arm ausstreckst und somit den Hebel verlängerst, wirst Du einen erheblichen Unterschied in der Muskelbelastung spüren.

Warum ist das nun aber für das heutige Thema relevant? Beim Bizepscurl stellt das Ellenbogengelenk den Hebel dar, während das Gewicht in der Hand liegt. Eine Person mit relativ kurzen Unterarmen hat einen wesentlich geringeren Abstand zwischen Hebel und Last, weshalb er mit der gleichen Muskelleistung eine höhere Last bewegen kann.

Du siehst also, dass die Muskelmasse alleine schon rein physiologisch nicht über die Kraft bei einzelnen Übungen entscheidet. Jedoch ist die anatomische Gegebenheit nur ein Faktor, denn hohe Kraftleistungen kann man sich auch antrainieren.

Muskeln sind nicht gleich Muskeln

Kraft wird, auch wenn im ersten Abschnitt etwas anderes suggeriert wird, erheblich von der Muskelmasse bestimmt. Aber Muskulatur ist nicht immer gleich Muskulatur.

Es gibt zwei verschiedene, grundlegende Arten des Muskelwachstums. Das Thema Hyperplasie, also die Vermehrung von Muskelfasern, soll hier ausgelassen werden. Es geht hier nur um das Dickenwachstum der Muskelfasern.

Sarkomere Hypertrophie

Unter sarkomerer Hypertrophie verstehen wir die Vermehrung der kontraktilen Elemente, also der Proteinfilamente, welche für die tatsächliche Muskelkontraktion verantwortlich sind. Wenn Du Dir diesen Vorgang und den Aufbau der Muskulatur noch einmal genauer ins Gedächtnis rufen willst, empfehle ich Ihnen diesen Artikel.

Die sarkomere Hypertrophie hat also dem Effekt, dass mehr der Proteine eingelagert werden, welche kontrahieren und somit aktiv an der Spannung des Muskels beteiligt sind. Was bedeutet das für uns?

Durch diese Art des Muskelaufbaus wird der Muskel leistungsfähiger, gewinnt jedoch nicht oder nur geringfügig an Volumen.

Im Allgemeinen verwendet man für diesen Vorgang den schwammigen Begriff der Muskeldichte: Die Muskulatur enthält mehr kontraktile Elemente auf engerem Raum, wird also schwerer, aber nimmt nicht zwangsläufig an Volumen zu, wirkt von Außen betrachtet also nicht unbedingt größer!

An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass keine Trainingsform ausschließlich Sarkomere Hypertrophie auslöst, sondern nur das Verhältnis der beiden Arten von Muskelaufbau verschoben wird. Möchtest Du also primär eine sarkomere Hypertrophie erreichen, funktioniert dies am besten mit relativ schweren Gewichten und wenig Wiederholungen.

Sarkoplasmatische Hypertrophie

Die zweite Form des Muskelwachstums stellt die sarkoplasmatische Hypertrophie dar. Sarkoplasma ist der plasmaförmige, nicht kontraktile Teil einer Muskelzelle.

Das Sarkoplasma macht etwa 25-30 % des Muskelvolumens aus und trägt somit erheblich zur optischen Vergrößerung bei. Da allerdings keine kontraktilen Elemente vorhanden sind, erhöht sich die maximale Kraft, durch den Zuwachs von Sarkoplasma, nicht oder nur minimal.

Ist das Sarkoplasma jetzt völlig unnötig? Natürlich nicht! Im Sarkoplasma befinden sich die lebenden Zellinhalte (das Zytoplasma). Den genauen Inhalt des Zytoplasmas kannst Du Dir hier anschauen.

Das Zytoplasma ist insbesondere für den Stoffwechsel und die Energiebereitstellung innerhalb der Zelle verantwortlich. Ein Muskel wird belastbarer und ausdauernder (nicht zu verwechseln mit Kraftausdauertraining!).

Das bekannteste Beispiel ist hier ein Wettkampf zweier Kraftsportikonen, welcher darauf hindeutet, dass ein Training für sarkoplasmatische Hypertrophie, wie es überwiegend Bodybuilder durchführen, auch eine enorme Verbesserung der Kraftausdauer zur Folge hat.

Während Fred Hatfield, der Athlet mit den wesentlich schmaleren Beinen, bei der Maximalwiederholung in der Kniebeuge deutlich stärker war als sein Widersacher Tom Platz, musste er sich, bei geringerem Gewicht mit höheren Wiederholungszahlen, deutlich geschlagen geben.

Das sarkoplasmatische Muskelwachstum erreichest Du insbesondere durch ein Training mit geringeren Gewichten, einem hohen Volumen und einer hohen Ermüdung der Muskulatur (viele Sätze und eine lange Spannungszeit).

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal erwähnen, dass bei jeder Art von Training beide Arten von Muskelwachstum ausgelöst werden. Welches Training für Dich geeignet ist, hängt in erster Linie natürlich von Deiner Zielsetzung ab.

Für viele ist es auch durchaus interessant, Elemente beider Trainingsarten einzubauen, um von beiden Hypertrophieformen zu profitieren.

Um ihnen den Unterschied dieser zwei Wachstumsarten noch einmal zu verdeutlichen, empfehle ich Ihnen dieses Bild.

Das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln

Nachdem wir jetzt wissen, dass sowohl die Anatomie als auch die Zusammensetzung der Muskulatur eine große Rolle bei der Kraft spielen, möchte ich nun zu einem weiteren Faktor kommen: Der Koordination.

Intermuskuläre Koordination

Die intermuskuläre Koordination bezeichnet das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Muskeln einer Muskelkette und seinen Gegenspielern. Das Paradebeispiel für eine Übung, welche ein hohes Zusammenspiel der Muskeln fordert, ist das klassische Kreuzheben.

Am untersten Punkt muss der Quadrizeps beim Anheben der Stange mitarbeiten, während beim Zug nach oben mehr oder weniger die komplette Rückseite des Körpers mitwirkt. Hier arbeiten mehr als 50 Muskeln gleichzeitig an einer einzigen Bewegung!

Ich möchte hier nicht zu tief in biochemische Details gehen, aber es ist ein Zusammenspiel von Anspannung, Entspannung und Synergiearbeit all dieser Muskeln, die so auch das Bewegen von schweren Gewichten möglich machen. Wenn der arbeitende Muskel (Agonist) und der Gegenspieler optimal aufeinander abgestimmt sind, wird weniger Energie verbraucht.

Je isolierter Du trainierst (vgl. Bizepscurls), umso weniger Muskeln sind an der Bewegung beteiligt und umso weniger Gewicht kann bewegt werden.

Die muskuläre Koordination ist in erster Linie eine Trainingssache. Je öfter ein Athlet eine bestimmte Bewegung oder eben Teile dieser bestimmten Bewegung durchzieht, umso besser arbeiten seine Muskeln zusammen und umso stärker wird er in einer Bewegung.

Die intermuskuläre Koordination wird, ganz nach dem Motto "Übung macht den Meister", bei häufigem Wiederholen einer Bewegung mit schweren Gewichten geschult.

Intramuskuläre Koordination

Wenn wir von intramuskulärer Koordination reden, dann sprechen wir insbesondere von dem Zusammenspiel der Muskelfasern innerhalb eines Muskels. Vereinfacht ausgedrückt könnte man die intramuskuläre Koordination als die Fähigkeit zur optimalen Nutzung der vorhandenen Ressourcen beschreiben.

Wie viele Muskelfasern können gleichzeitig und innerhalb von möglichst kurzer Zeit aktiviert werden?

Die intramuskuläre Koordination wird, genau wie die Intermuskuläre Koordination, vermehrt durch das Bewegen besonders schwerer Lasten geschult. Da es bei der Intramuskulären Koordination auch um eine möglichst schnelle Nutzung der vorhandenen Ressourcen geht, wird diese auch durch Schnellkrafttraining (z.B Gewichtheben) verbessert.

Fazit

Wenn wir von Kraft reden, müssen wir immer beachten um welche Art von Kraft es sich handelt.

Die Maximalkraft ist von wesentlich mehr als nur der reinen Muskelmasse abhängig, während die Kraftausdauer, beziehungsweise die Fähigkeit einen Muskel über längere Zeit zu belasten, schon erheblich mehr von der vorhandenen Muskulatur abhängig ist.

Muskulatur ist auch nicht gleich Muskulatur! Zwei Athleten, welche gleich groß und gleich schwer sind, können völlig unterschiedlich aussehen!

Ein Bodybuilder, dem es insbesondere um das Volumen seiner Muskulatur geht, wird massiger aussehen als beispielsweise ein Gewichtheber, der auf eine hohe Dichte seiner kontraktilen Proteine aus ist, um besonders leistungsfähig zu sein.

Auch die koordinativen Werte, also die Effizienz innerhalb des Muskels (möglichst schnell möglichst viele Fasern aktivieren) und das Zusammenspiel der Muskelgruppen hat Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.

Ein Punkt, welcher im Artikel nur beiläufig erwähnt wurde, ist Stabilität. Insbesondere bei Kontaktsportarten, jedoch auch beim Gewichtheben, erhöht eine stabile Körpermitte die Leistungsfähigkeit enorm.

Wie steht es um Dich? Hast Du Interesse daran stark zu sein? Oder baust Du lieber auf die alten Bodybuilderweisheiten und achtest nicht auf die Gewichte, sondern nur auf die Entwicklung Deines Körpers?