Mario
Mario Content | Fitness & Ernährung
Team Fitnessletter

Aktualisiert am
04. September 2017


  • 7 Min Lesezeit
  • 2743 Aufrufe

Rezept teilen:

Richtig Dehnen – wann, warum und wie?

Sonstiges

Bei dem Thema richtiges Dehnen gibt es bei den meisten Sportlern immer wieder viele Fragezeichen: Vor dem Sport? Nach dem Sport? Oder lieber gar nicht?

. . .

U

nd es ist auch nur verständlich: Um das Dehnen ranken sich viele Mythen, Halbwissen und immer wieder neue Studien und Thesen… In diesem Beitrag möchte ich zu diesem sehr vielseitigen Thema etwas Licht ins Dunkle bringen!

Verschiedene Arten des Dehnens

Dehnen ist ein sehr weitgreifender Begriff. In diesem Abschnitt möchte ich zunächst aufzeigen, welche Arten des Dehnens es überhaupt gibt. Grundsätzlich wird zwischen folgenden Arten unterschieden:

1. Aktives Dehnen

Der Zielmuskel wird durch Kontraktion des Antagonisten gedehnt. Um den Bizeps zu dehnen strecke ich also den Arm aus (Kontraktion des Trizeps) und habe dadurch einen Dehneffekt, der allerdings vergleichsweise gering ausfällt.

2. Passives Dehnen

Der Zielmuskel wird mithilfe der Schwerkraft oder eines Gegenstandes gedehnt. Um den hinteren Oberschenkel zu dehnen kann man das Bein beispielsweise auf einer Erhöhung ablegen und strecken. Hier kann ein wesentlich höherer Dehnungseffekt auf die Muskulatur ausgeübt werden als beim aktiven Dehnen.

3. Dynamisches Dehnen

Das dynamische Dehnen ist ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Bei dieser Technik wird der Muskel durch wippende Bewegungen immer wieder für eine kurze Zeit in die Endposition gebracht. Lange nahm man an, dass diese Art des Dehnens eine erhöhte Verletzungsgefahr mit sich bringen würde. Aktuellen Studien zufolge ist dies jedoch bei korrekter und kontrollierter Ausführung nicht der Fall.

4. Statisches Dehnen

Beim statischen Dehnen wird der Muskel langsam in die Endposition geführt und an diesem maximalen Dehnungspunkt gehalten, beziehungsweise bei Bedarf sogar noch darüber hinaus bewegt.

Das sind die 4 Arten, mit denen Dehnbewegungen durchgeführt werden können. In diesen Punkten nicht berücksichtigt wird der Faktor Zeit, der beim Dehnen eine entscheidende Rolle spielt. Alleine die Zeit entscheidet darüber, ob eine Dehnung sinnvoll ist oder nicht.

Wann man sich auf welche Art dehnen sollte, erläutere ich im nächsten Abschnitt.

Wann sollte ich mich wie dehnen? Wann sollte ich auf Dehnen verzichten?

Vor dem Sport? Während dem Sport? Nach dem Sport? Oder vielleicht doch zu einem ganz anderen Zeitpunkt?

Selbst in der Wissenschaft herrscht über manche Punkte noch keine Einigkeit. Daraus ergibt sich natürlich, dass der durchschnittliche Trainierende schnell den Überblick verliert.

Mit ein paar wissenschaftlichen Fakten möchte ich in den folgenden Zeilen etwas Licht ins Dunkle bringen.

Dehnen vor dem Sport

Das Dehnen vor dem Sport kann je nach Ausführung zwei völlig gegensätzliche Wirkungen auf den belasteten Muskel haben. Bei der richtigen Ausführung wird der Muskel voraktiviert und die Leistung verbessert, bei falscher Ausführung kann sich die Leistung jedoch auch verschlechtern.

Vor dem Sport sollte man den Muskel auf die Belastung vorbereiten mit leichtem, aktiven Dehnen und kurzem (maximal 5 bis 8 Sekunden) statischen Dehnen kann der Muskel auf die richtige Länge gebracht, besser durchblutet und leistungsfähiger gemacht werden.

Falls eine eher ausdauernde Belastung wie beispielsweise ein langer Dauerlauf bevorsteht, spricht aus sportwissenschaftlicher Sicht auch nichts gegen ein längeres statisches Dehnen.

Ob das Dehnen das Verletzungsrisiko tatsächlich senkt, konnte wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen werden! Was man vor einer schweren Muskelaktivität wie Sprinten, Krafttraining oder auch intensiven Ballsportarten vermeiden sollte, ist ein statisches Dehnen über einen längeren Zeitraum. Bei dieser Dehnform wird der Muskel aus seiner Ruhelänge herausgebracht, der Muskeltonus, also die Grundspannung, sinkt und der Muskel büßt an Leistungsfähigkeit ein!

Dehnen während dem Sport

Auch die Sinnhaftigkeit von Dehnen während dem Sport hängt stark davon ab, wie man den Körper belastet. Sich während einer lockeren Ausdauereinheit in kurzen Pausen zu dehnen kann die Durchblutung verbessern und die anschließende Leistung verbessern.

Bei schnellkräftigen oder schweren Belastungen sollte man die betroffenen Muskeln höchstens aktiv und kurz dehnen, oder die Durchblutung durch Mobilisation anregen.

Weiterhin vermeiden sollte man das längere statische Dehnen der Zielmuskulatur. Die oben genannten Gründe gelten auch hier noch und zusätzlich kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, den ich Ihnen im nächsten Abschnitt genauer erläutern werde.

Dehnen nach dem Sport

Das wohl meistdiskutierte Thema im Bereich des Dehnens ist wohl das Dehnen nach dem Sport. Über lange Jahre war man der Ansicht, dass das Dehnen nach einer harten Belastung dem Muskelkater vorbeugt, dem ist aber nicht so, ganz im Gegenteil!

Während der intensiven Belastung der Muskulatur entstehen Schäden auf Mikroebene, sogenannte Mikrotraumata, welche man sich tatsächlich wie kleine Risse in der Muskulatur vorstellen kann.

Durch das Dehnen direkt nach einer solchen Belastung können diese kleinen Risse noch vergrößert werden, was dafür sorgt, dass ein intensiverer Muskelkater entsteht, der langfristig sogar Narbengewebe in der Muskulatur zur Folge haben kann!

Nach einer wirklich intensiven Einheit sollte man also auf das Dehnen verzichten oder nur ein leichtes Dehnprogramm durchführen.

Mobilisationsübungen oder ein leichtes Auslaufen sind nach der sportlichen Belastung zu bevorzugen.

Kann man das Dehnen dann nicht ganz sein lassen?

Komplett auf das statische Dehnen zur Steigerung der Beweglichkeit verzichten würde ich trotzdem nicht. Entscheidend ist viel mehr der Zeitpunkt, zu welchem diese etwas intensivere Dehneinheit ausgeführt wird.

Wie bereits angesprochen ist es wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Muskelleistung bei intensiveren Belastungen durch längeres statisches Dehnen abnimmt, daher sollte man eine solche Dehneinheit mindestens einige Stunden vor einer Intensivbelastung durchführen.

Nach einer intensiven Muskelbelastung sollte der Abstand zur Dehneinheit noch um einiges größer sein, da die Überdehnung eines vorgeschädigten Muskels die vorhandenen Mikrotraumen vergrößern kann und somit die Regenerationszeit sogar verlängert werden würde.

Trotzdem sollten regelmäßige Dehneinheiten zur Steigerung der Beweglichkeit nicht unterschätzt werden. Ein beweglicher Muskel ist oftmals leistungsfähiger als ein verhältnismäßig unbeweglicher Muskel.

Als Beispiel möchte ich hier die Kniebeuge anführen. Viele Menschen sind nicht in der Lage, eine tiefe Kniebeuge auszuführen. In einigen wenigen Fällen liegt dies an fehlender Kraft oder Koordination, in den meisten Fällen ist es schlicht einer unzureichenden Beweglichkeit der Hüftstrecker und Hüftbeuger geschuldet.

Die Trainierenden sind nicht in der Lage, die Hüfte so weit zu öffnen, dass sie sich zwischen ihre eigenen Oberschenkel setzen können. Daraus resultierend erfolgt eine Ausweichbewegung nach hinten und die Balance geht verloren.

Dehnen im Alter

Je älter man wird, umso wichtiger wird das Dehnen. Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab. Nicht nur Kraft und Ausdauer werden vermindert, sondern insbesondere auch die Beweglichkeit.

Wer bis ins hohe Alter aktiv und selbstständig sein möchte, sollte regelmäßig auch an seiner Beweglichkeit arbeiten. Wenn man keinen Marathon mehr laufen kann ist das halb so schlimm und wer keine schweren Dinge mehr durch die Gegend tragen kann, findet sicherlich auch Hilfe.

Wer jedoch nicht mehr in der Lage ist eine Kleinigkeit vom Boden aufzuheben, weil ihm die Beweglichkeit dafür fehlt, der verliert ein gutes Stück Lebensqualität!

Was man mit Dehnen nicht erreichen kann

Im Internet kursiert einiges an Gerüchten zum Thema Dehnen. Mit einigen wurde hier bereits aufgeräumt, insbesondere wenn es darum geht, was man mit Dehnen alles erreichen kann. In diesem Abschnitt möchte ich mich besonders damit beschäftigen, was man durch Dehnen nicht (nachweislich) erreichen kann.

1. Verletzungen vermeiden

Verletzungen können durch Dehnen vor dem Sport nicht nachweislich verhindert werden. Es gibt keinen empirischen oder wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass das Verletzungsrisiko eines Muskels durch das Dehnen vermindert wurde.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dem nicht so sein könnte.

2. Die Muskellänge verändern.

Ein Muskel wird durch Dehnen nicht länger oder kürzer. Muskeln haben eine vorbestimmte Länge und diese ändert sich auch nicht.

Wenn ein Muskel beweglicher ist bedeutet das nichts anderes, als dass er eine erhöhte Toleranz gegenüber Zugkräften hat, was durch eine erhöhte Menge des Muskelproteins Titin zu erklären ist.

Eine animierte Funktionsbeschreibung, welche den Vorgang beim Dehnen verständlich macht, ?findest Du hier.

3. Einen "verkürzten" Muskel aufdehnen

Im Prinzip gehört dieser Punkt ein Stück weit auch noch zur Veränderung der Muskellänge. Viele Leute glauben, dass man die "Fehlhaltung" durch einen verkürzten Muskel durch das Dehnen desselbigen beheben könnte.

Natürlich schadet das Dehnen in diesem Fall nicht, aber die Ursache des Problems liegt im Gegenspieler des verkürzten Muskels.

Ein praxisnahes Beispiel aus dem Studioalltag: Ein junger Trainierender legt den Fokus auf ein gutes Brustwachstum und trainiert überwiegend diesen Muskel. Nach einiger Zeit werden seine Schultern nach vorne wandern und er hat eine leicht gebeugte Haltung angenommen.

Jetzt spricht man von einem verkürzten Brustmuskel. Die Lösung des Problems liegt nun im Training des Gegenspielers. Um das Verhältnis wieder zu normalisieren und die Fehlhaltung zu beseitigen, sollte vermehrt ein Training für den oberen Rücken, beispielsweise eine Rudervariante, ausgeführt werden.

Noch besser wäre es natürlich, von Anfang an ausgewogen zu trainieren und somit das Entstehen solcher Dysbalancen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Dehnen ist wichtig, es muss jedoch beachtet werden, auf welche Art und wie lange man dehnt, um den jeweils gewünschten Effekt zu erreichen.

Wer sich optimal auf sportliche Leistungen vorbereiten will sollte auf längeres statisches Dehnen verzichten und sich lieber funktionell aufwärmen.

Die Trainingseinheiten zur Verbesserung der Beweglichkeit sollten seperat durchgeführt werden. Eine gute Beweglichkeit hilft dabei die Leistung im Sport zu steigern und schützt im Alter vor eventuellem Verlust von Lebensqualität.

Zum Abschluss sehen Sie noch meine Quellen und zwei Videos mit guten Dehnübungen für den Unterkörper.


Interesse an einer Partnerschaft?

Hier könnte deine Werbung stehen